Ausgangslage
Die kontinuierliche medizinische Fort- und Weiterbildung spielt für Ärztinnen und Ärzte eine zentrale und immer wichtigere Rolle.
Das trifft speziell auf die berufsbegleitende Facharztweiterbildung zu, für die der Gesetzgeber die Belegung einer
bestimmten Anzahl an Fort- und Weiterbildungskursen vorschreibt. Dies führte in den letzten Jahren zum wachsenden
Interesse am Einsatz von Online-Fortbildungsplattformen für angehende Fachärztinnen und Fachärzte. Zahlreiche Anbieter bieten solche
Plattformen für unterschiedliche Gebiete (z.B. Chirurgie, Neurologie) auf diesem noch jungen Markt an. Typische Anbieter
sind fachmedizinische Verlage unterstützt von Pharma-Unternehmen, deren Kurse von Ärztekammern zum Erwerb von
Fortbildungspunkten zertifiziert werden.
Dabei wird der klassische e-Learning Ansatz verfolgt: die Online-Vermittlung von Lerninhalten begleitet von
Online-Tests. Keine dieser Plattformen bietet in Deutschland eine Unterstützung für kooperative Lernszenarien und
den Wissenserwerb durch Erfahrungsaustausch in sozialen Netzwerken. Auch ist die Nutzung von Web2.0-Technologien
für kooperative Generierung und Austausch von Wissen sowie zur Unterstützung von mobilen Szenarien weitgehend nicht
vorhanden.
Diese Situation bestehender Fort- und Weiterbildungsangebote steht nicht nur im drastischen Kontrast zu aktuellen
Entwicklungen in der Forschung und in der Praxis (UNESCO Studie „Open Social Learning Networks“), sondern lässt auch
wesentliche Bedürfnisse der Zielgruppe unbeachtet. Ein zentrales Element der Facharztweiterbildung ist der
Wissenserwerb durch praktische Tätigkeit, betreut durch erfahrene Ärztinnen und Ärzte, die eine Anleitung zur Verbindung von
Theorie und Praxis bzw. einen Erfahrungsaustausch gewährleisten. Angehende Fachärztinnen und Fachärzte müssen auch lernen,
aktuelle Instrumente der medizinischen Best- Practices (medizinische Leitlinien) effektiv im Praxisalltag einzusetzen,
um mit der ständig wachsenden Informationsflut umzugehen und das aktuelle medizinische Wissen auf ihre Patientenfälle
anwenden zu können. Speziell der Bedarf nach Maßnahmen zur effektiveren Förderung der Aufnahme und Anwendung von
Leitlinien in der Praxis wird aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Qualitätsmanagements in der Medizin von vielen
Akteuren im Gesundheitswesen eingefordert.
Des Weiteren wird durch die hohe Mobilität, die den Weiterbildungsweg für Fachärztinnen und Fachärzte in der Allgemeinmedizin
kennzeichnet (ärztliche Tätigkeit in fachlich und örtlich nicht vernetzten medizinischen Einrichtungen),
der effektive Wissenstransfer erheblich eingeschränkt. Insbesondere ist es für angehende Fachärztinnen und Fachärzte schwierig,
ihr soziales und berufliches Peer- Netzwerk aufrecht zu erhalten und als Wissensressource zu nutzen.
Mechanismen des sozialen Lernens und des kooperativen Wissenserwerbs in Peer-Communities werden stark eingeschränkt.
Diese Ressource wird speziell in den letzten Weiterbildungsjahren von vielen Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung vermisst,
wenn sie Praxisabschnitte bei befugten Weiterbildenden in ländlichen und strukturschwachen Regionen absolvieren,
wo nur ein sehr eingeschränkter Austausch mit erfahrenen Fachärztinnen und Fachärzten und Peers möglich ist. Die Bedeutung
mobiler Arbeitsszenarien für angehende Fachärztinnen und Fachärzte der Allgemeinmedizin spiegelt sich auch in der Erprobung
tele-medizinischer Konzepte in ländlichen Gebieten mit Hausarztmangel wider. Eine geeignete technische
Unterstützung bei der fachlichen Weiterbildung und Qualifizierung würde dementsprechend dazu beitragen,
die Attraktivität der ärztlichen Niederlassung im ländlichen Raum zu steigern.